Das Braunkehlchen
artenreiches Grünland - notwendige Lebensvoraussetzung
Revier im NSG Breitenbach
Als Besonderheit der Aachener Vogelwelt kann man im Frühjahr in extensiv genutzten und reich strukturierten Grünlandbereichen im Süden des Kreises das aus Afrika zurückkehrende Braunkehlchen (Saxicola rubetra) beobachten. Auf dem Durchzug tritt das Braunkehlchen auch in weitgehend ausgeräumten Agrarfluren auf, die als Brutlebensraum jedoch völlig ungeeignet sind. In ihren Brutbiotopen fallen Braunkehlchen vor allem auf Zaunpfählen oder sonstigen Warten (z. B. vorjährigen Fruchtständen von Doldenblütlern) sitzend auf. Nach der Besetzung der Brutreviere beginnen die Braunkehlchen Anfang bis Mitte Mai mit der Brut. Als Bodenbrüter bevorzugt das Braunkehlchen zur Anlage des Nestes die Nähe von Sitzwarten und abschirmende Pflanzen über dem Nest. Eine vielfältige Krautschicht mit einem reichen Nahrungsangebot an Insekten ist vor allem für die Jungenaufzucht erforderlich. Diese Voraussetzungen bieten in der Eifel insbesondere Biotopkomplexe aus Feuchtbrachen, Feuchtwiesen und extensiv genutzten artenreichen Wiesen und Weiden.
Bis in die 50iger Jahre war das Braunkehlchen als typischer Vertreter einer offenen reich strukturierten Kulturlandschaft in großen Teilen Nordrhein-Westfalens weit verbreitet und stellenweise sogar häufig. Bedingt durch die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft wurden großflächige extensiv genutzte Bereiche immer seltener. Das Braunkehlchen als besonders sensible Art musste drastische Bestandsrückgänge hinnehmen. Als Gründe sind hier die häufigere Schnittnutzung, ermöglicht durch gesteigerte Düngung sowie sehr frühe erste Mahdtermine (ab Mitte / Ende Mai) und auch eine hohe Besatzdichte auf den Weideflächen zu nennen. Da sich die Aufzucht der Jungen häufig bis Anfang Juli erstreckt, führt eine frühe Mahd häufig zum kompletten Verlust des Geleges. Bei beweideten Flächen kann das Braunkehlchen nur bei einer geringen Besatzdichte erfolgreich brüten. Neben der Intensivierung der Landnutzung hat die Gefährdung des Braunkehlchens weitere Ursachen. Sein Lebensraum ist hier in der Eifel zusätzlich von Fichtenaufforstungen und Nutzungsaufgabe gefährdet, wodurch die offenen Grünlandflächen verloren gehen. Dies betrifft in erster Linie Flächen, auf denen sich eine landwirtschaftliche Nutzung auf Grund einer schlechten Erreichbarkeit oder des geringen Ertrages nicht mehr lohnt. Weiterhin bewirkt der hohe Flächenverbrauch durch Bebauung und Versiegelung eine Beschneidung bzw. eine Verschlechterung der Lebensbedingungen.
Aus der Ebene ist das Braunkehlchen nahezu vollständig verschwunden und regelmäßig besetzte Gebiete finden sich im Wesentlichen nur noch in Mittelgebirgen (Sauer-, Siegerland und Eifel). In der aktuellen Roten-Liste von Nordrhein-Westfalen (Stand 1996) werden nur noch 330 Brutpaare angegeben und das Braunkehlchen wird als stark gefährdet eingestuft (Rote Liste 2 ).
Im Frühjahr des Jahres 2000 erfolgte unter intensiver Mithilfe ortsansässiger Ornithologinnen und Ornithologen eine Kartierung der aus früheren Jahren bekannten Braunkehlchen-Reviere im Süden des Kreises Aachen. Das Ergebnis dieser großflächigen Kartierung wies einen Bestand von 30 besetzten Revieren im Gesamtraum aus. Diese verteilen sich hauptsächlich auf drei Kernzonen im Umfeld Kalterherbergs, weitere fanden sich zerstreut im Gebiet. Auf der Grundlage dieser Kartierung wurde ein umfassendes Gutachten erstellt. Trotz einer anschließenden Ausweitung des Vertragsnaturschutzes auch im Umfeld bekannter Reviere hat inzwischen ein weiterer Rückgang der Braunkehlchen-Vorkommen im Kreis stattgefunden. Regelmäßige Brutvorkommen finden sich heutzutage zum einen noch um Kalterherberg sowie andererseits in jeweils wenigen Brutpaaren im Raum nördlich und westlich Simmerath. Die lokalen Vorkommen um Kalterherberg sind auch im Zusammenhang mit größeren Brutvorkommen in Belgien, insbesondere auf dem Truppenübungsplatz Camp Elsenborn (ca. 100 Brutpaare), aber auch im grenznahen belgischen Grünland zu sehen.
Auch wenn einige Revier derzeit unbesetzt sind, sollte es ein wichtiges Ziel sein, diese für die bestehende Population im Grenzgebiet Deutschland-Belgien als Lebensraum zu erhalten bzw. zu verbessern.
Zum Schutz des Braunkehlchens sollen in Zukunft weiterhin verstärkt Flächen im Umfeld bestehender und teilweise auch ehemaliger Reviere in das Kulturlandschaftsprogramm aufgenommen werden, um auf der einen Seite die Lebensbedingungen in Teilbereichen wieder zu verbessern und auf der anderen Seite artenreiche Wiesen und Weiden zu erhalten bzw. wieder zu entwickeln. Von diesen Maßnahmen profitiert nicht nur das Braunkehlchen, sondern auch eine Vielzahl weiterer Tier- und Pflanzenarten einer schützenswerten Kulturlandschaft.
Maßnahmen wie Strukturanreicherung ausgeräumter Bereiche mit kleineren Gebüschen einerseits sowie das Entfernen für das Braunkehlchen negativ einzustufender Horizonteinschränkungen wie kleinerer Fichtenriegel andererseits können ergänzend zu einem Erhalt von Braunkehlchen-Vorkommen beitragen. Alle diese Maßnahmen werden nur in Zusammenarbeit mit den ansässigen Landwirtinnen und Landwirten sowie sonstigen Landnutzer/innen möglich sein und erfolgen in enger Abstimmung auf freiwilliger Basis.
Steckbrief des Braunkehlchens
Männchen im Brutkleid
lat. Name: Saxicola rubetra
Aussehen: kurzschwänziger, vergleichsweise bunter Vogel. Auffällig ist ein breiter weißer oder beiger Überaugenstreif. Rostbraune Kehle, Brust und Flanken, Bauch weiß. Weibchen sind insgesamt matter gefärbt.
Vorkommen: Brutvogel in weiten Teilen Europas in geringer Dichte. Häufiger noch im Osten Europas bis Mittelsibirien und in Skandinavien.
Winterquartier: Als so genannter Langstreckenzieher verbringt das Braunkehlchen den Winter in Zentralafrika südlich der Sahara und kehrt Ende April bis Anfang Mai wieder in die Eifel zurück. Nach dem Flüggewerden der Jungen Ende Juni/ Anfang Juli beginnt ab Ende August der Zug nach Süden.
Lebensraum: Reich strukturiertes artenreiches Grünland
Nahrung und Nahrungserwerb: Der Großteil des Beutefangs erfolgt von Sitzwarten aus. Als Ersatz für natürliche Sitzwarten dienen in der Kulturlandschaft vor allem die Zaunpfähle von Viehweiden. Zur Aufzucht der Jungen ist eine vielfältige Krautschicht mit einem reichen Nahrungsangebot an Insekten mittlerer Größe erforderlich.
Fortpflanzung: Nest am oder dicht über dem Boden versteckt. Der Legebeginn ist im Mai, gewöhnlich nur 1 Brut, 4-7 Eier werden gelegt. Das Weibchen brütet 13-15 Tage, die Jungen werden noch etwa 2 Wochen von den Eltern gefüttert.
Gefährdung und Schutz: In Nordrhein-Westfalen ist das Braunkehlchen stark gefährdet (Rote Liste 2)