Faszination Flussperlmuschel
Fichtenforst mit naturnaher Bachstruktur: Die sich im Wasser entwickelten Insekten haben nach Verlassen des Baches Schwierigkeiten sich in diesem Lebensraum auszubreiten.
Schutz und Erhalt der Flussperlmuschel in NRW
Im Perlenbach bei Monschau befindet sich das letzte Vorkommen der Flussperlmuschel in NRW. Fast hätte man sagen müssen „befand sich das letzte Vorkommen“. Die letzten Altmuscheln verstarben zwischen 2009 und 2015. Nur weitreichende Maßnahmen im Lebensraum und die Erhaltungszucht führten dazu, dass die Flussperlmuscheln in NRW noch existiert. Heute setzt sich die Population aus Jungtieren der Jahrgänge 2006/07-2008/09 zusammen. 2020 konnten bei den Tieren der Nachzucht erstmalig eine Trächtigkeit festgestellt und über 2000 Zuchtforellen und knapp 100 Wildforellen mit Larven der heimischen Flussperlmuschel beimpft werden.
Um 1800 soll es im Perlenbach und in der Rur noch ca. 0,5 bis 1,5 Mio. Tiere gegeben haben.
Der drastische Rückgang der Flussperlmuschel-Bestände ist nicht nur im Aachener Land, sondern auch deutschland- und europaweit festzustellen.
Geschichte
Perlfischerei
Über die ehemaligen Muschelvorkommen in der Eifel und anderswo ist man deshalb so gut informiert, weil sich in den Muscheln hin und wieder Perlen finden (ca. in jeder 2000sten Muschel eine Schmuckperle). Zur Sicherung dieser Kostbarkeiten wurde 1668 von den adeligen Herrschern des Herzogtums Jülich ein entsprechendes Gesetz, das so genannte Perlregal, erlassen. Dieses Gesetz erlaubte nur einem von ihnen bestelltem Perlfischer, die Muscheln zu befischen und somit Perlen zu ernten. Dazu wurden die Muscheln in bestimmten Abständen behutsam geöffnet und auf Perlen untersucht. Eine Verletzung der Muschel (insbesondere des Schließmuskels) hätte den Tod der Muschel und so den Verlust einer potentiellen Perle zur Folge gehabt. Muscheln mit Ansätzen einer Perlenbildung wurden markiert und zu einem späteren Zeitpunkt erneut kontrolliert.
Nach dem Einmarsch von Napoleon ins Rheinland wurde dieses Gesetz 1799 abgeschafft. Die zur Abschreckung vom Perlenraub aufgestellten Galgen führten zu Flurnamen wie Galgendamm oder Galgenberg. Diese Bezeichnungen sind bis heute erhalten geblieben. Vermutlich auch zu dieser Zeit wurde die Schwalm in Perlenbach umbenannt. Auf jetziger deutscher Seite ist dies bis heute der Fall.
Gefährdung und Rückgang der Perlmuschel
Nach Aufhebung des Perlregals wurden, auf der Jagd nach Perlen, die Perlmuschelgewässer gestürmt, und sicherlich sind viele Muscheln aufgrund der fehlenden Sachkenntnis zu Schaden gekommen.
Aber erst mit Beginn der Industrialisierung sorgte die nachhaltige negative Veränderung der Fließgewässer und der Auen für den drastischen Rückgang der Perlmuscheln. Die Abwässer der Tuchfabriken führten in der Rur zu einer unzureichende Wasserqualität für Flussperlmuschel und ihren Wirtsfisch die Bachforelle. Im Perlenbachtal ging nach Ende des 2. Weltkrieges durch die Aufforstung mit der gebietsfremden Fichte und der Aufgabe der Mähwiesen in der Aue ein wichtiger Bestandteil der Nahrungsgrundlage verloren. Zu dem immer geringer werdenden Nahrungsangebot verschlechterte sich durch erhöhte Feinsedimenteinträge die Qualität der Nahrung. Als Filtrierer sortiert die Muschel aus den Schwebstoffen die verwertbaren Anteile heraus. (Ist der Anteil an nicht Verwertbarem zu groß, verbraucht sie für die Sortierung mehr Energie als sie über die verwertbaren Anteile an Energie gewinnen kann. Ist dies längerfristig der Fall, verhungern die Muscheln.) Das Feinsediment stammte zum größten Teil von den vegetationfreien Brandschneisen des TÜP Elsenborn die nach starken Regenfällen in die Zuläufe bzw. den Oberlauf des Perlenbaches gespült wurden. Nach solchen Ereignissen war der Perlenbach ockerfarben gefärbt. Die Einträge führten auch zu einer Verschlämmung der Hohlräume im Bachboden und vernichteten so den Lebensraum der Jungmuscheln.
Auch die Intensivierung der Landwirtschaft im Einzugsgebiet des Perlenbaches trug durch Düngereinträge und Ufervertritt von Weidevieh zur Verschlechterung der Gewässerqualität bei.
Der Bau der Perlenbachtalsperre Mitte der 1950er Jahre verhinderte den Aufstieg der für die Fortpflanzung der Perlmuschel notwendigen Bachforellen.
Artenschutzprogramm „Schutz und Erhalt der Flussperlmuschel in NRW“
Ende der 1980er Jahre begannen mit fachlicher Unterstützung der LANUV-Außenstelle Albaum sowie der Projektgruppe Molluskenkartierung und finanziellen Mitteln der NRW-Stiftung die Schutzbemühungen zum Erhalt der Flussperlmuschel im Aachener Land. Spätestens seit der letzten Nachsuche in der Rur Anfang der 1990er Jahre gilt die Flussperlmuschel dort als ausgestorben. Im Perlenbach wurden zu dieser Zeit noch einige hundert Perlmuscheln gezählt. 2001 übernahm die Biologische Station StädteRegion Aachen e.V. die Schutzgebietsbetreuung für das Naturschutzgebiet Perlenbach-/Fuhrtsbachtal.
Mit einer kleinen Rest-Population von 30-40 Individuen starteten 2002 die Maßnahmen zur Erhaltung und zum Schutz der letzten Flussperlmuschelpopulation in NRW.
Von Anfang an war klar, dass der Erhalt der Perlmuschel im Perlenbach aufgrund der wenigen verbliebenen Alttiere nur durch eine halbnatürliche Nachzucht gelingen könnte. Seit Jahrzehnten schien der Nachwuchs ausgeblieben zu sein, da die jüngsten Tiere schätzungswiese 60 Jahre alt waren.
Halbnatürliche Nachzucht
Bei der halbnatürlichen Nachzucht werden die Altmuscheln im Sommer auf Trächtigkeit untersucht. Das geschieht, ähnlich wie früher bei der Perlfischerei, durch vorsichtiges Öffnen der Muschel, nur das nicht nach Perlen sondern auf eine Schwellung und Verfärbung der Kiemen geachtet wird. Ist dies der Fall hat die Muschel in ihren Bruttaschen Eier gebildet, ist also trächtig. In regelmäßigen Abständen wird nun der Status der Eireife überprüft. Nach einigen Wochen haben sich aus den Eiern Larven entwickelt. Die Kunst ist nun die fertigen Larven zu gewinnen bevor sie von der Muschel in die freie Welle abgegeben werden. Die aufgefangenen Larven müssen, für die weitere Entwicklung zur Jungmuschel (Metamorphose), an Bachforellen-Kiemen andocken. Die mit den winzigen Larven beimpften Forellen verbringen dann den Winter in Teichanlagen. Zu Beginn des nächsten Jahres werden die Kiemen der Forellen auf verbliebene Larven begutachtet. Die Larven sind nun schon so groß, dass man sie mit bloßem Auge als kleine weiße Punkte erkennen kann. Die ausgewählten Forellen werden dann in eine Muschelgewinnungsanlage gebracht. Damit die Metamorphose (aus Larve wird Muschel) stattfinden kann, muss die Wassertemperatur einige Zeit über 16°C liegen. Im Freiland ist dies erst im späten Frühjahr/Anfang Sommer der Fall. In der Anlage wird die Wassertemperatur künstlich erhöht, sodass dort bereits ganz früh im Jahr die ersten Muscheln von den Kiemen fallen. Die ca. 0,4mm kleinen Muscheln werden aufgesammelt und für die nächsten drei Monate im Labor mit Algen und Detritus gefüttert. Die Nahrungsaufnahme findet zunächst über den Fuß statt. Mit einer Größe von ca. 1 mm erfolgt der Umzug zurück in das Gewässer. In kleinen Käfigen können sich die Muscheln nun gut geschützt vor Feinden und Verdriftung, an die Strömung und auf das damit einher gehende Filtrieren umstellen.
Parallel zu diesem Artenschutzprojekt führte die Biologische Station StädteRegion Aachen zusammen mit der Biologischen Station im Kreis Euskirchen von 2004-2010 das LIFE-Natur-Projekt "Lebendige Bäche in der Eifel" durch. Hierbei wurden umfangreiche Maßnahmen zur Verbesserung des Lebensraumes für die Flussperlmuscheln und andere Leitarten naturnaher Fließgewässer umgesetzt.
Auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Elsenborn (Belgien) fanden durch die dort zuständige Forst- und Standortverwaltung zusätzlich umfangreiche Maßnahmen zur Minimierung von Trübstoffeinträgen statt.
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PDF
Faltblatt Flussperlmuschel
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Weitere Informationen
Steckbrief der Flussperlmuschel
Glochidium (Muschellarve) © Reinhard Altmüller
Fast reife Larven in den Kiemen einer Bachforelle © Reinhard Altmüller
ausgewachsene Flussperlmuschel © Frank Wagener
lat. Name: Margaritifera margaritifera
Lebenszyklus/Biologie
1. Alttiere:
Phänologie: bis zu 16 cm Schalenlänge
Fortpflanzungszeit Juni-August
Lebensdauer: abhängig von geographischer Lage, 40-300 Jahre
In kälteren Klimaregionen erreicht die Flussperlmuschel aufgrund des verlangsamten Stoffwechsels ein Höchstalter von über 200 Jahren. In unseren Breiten erreichen sie im Optimalfall „nur“ ein Alter von 80 – 100 Jahren, in Spanien werden sie aufgrund des längeren „Sommers“ nur 40 - 50 Jahre alt.
Ernährung: Jungmuschel zunächst Weidegänger, danach aktive Filtrierer (~ 30 l / Tag),
Flussperlmuscheln haben als Filtrierer eine wichtige Reinigungsfunktion. Sie ernähren sich von winzigen organischen Teilchen, die sie aus dem Wasser filtrieren. Dadurch leisten sie einen erheblichen Beitrag zur Sauberhaltung der Fließgewässer.
Ist der Anteil an organischer Nahrung im Wasser zu gering und der Anteil nicht verwertbarer Bestandteile zu groß (Sand und ähnliches), müssen die Muscheln sehr viel Wasser filtrieren, um ausreichend organische Nahrung zu gewinnen, d.h. sie verbrauchen mehr Energie für die Nahrungsaufnahme als sie durch die Nahrung an Energie gewinnen. Ist das dauerhaft der Fall, verhungern die Flussperlmuscheln.
Fortpflanzung: getrenntgeschlechtlich, d.h. männliche und weibliche Tiere
Männliche Muscheln produzieren Spermien die ins Wasser abgegeben werden und zur Befruchtung der Eier von den weiblichen Muscheln aufgenommen werden müssen, in speziellen Bruttaschen in den Kiemen reifen aus den befruchteten Eiern in mehreren Wochen Larven heran.
2. Eientwicklung:
Entwicklungsdauer: ca. 8 Wochen
Entwicklungsort: in den Bruttaschen (Marsupien) der Kiemenblätter der weiblichen Muscheln, Ausstoß der reifen Larven (Glochidien) ins Wasser
3. Glochidien (Muschellarven)
Habitus: Größe ca. 0,05 mm
Entwicklungsdauer: bei uns knapp 1 Jahr
Aufenthaltsort: entwickeln sich parasitisch in den Kiemen von Wirtsfischen, als Wirtsfisch kommt bei uns derzeit nur die Bachforelle (Salmo trutta f. vario) vor , früher evtl. auch der Lachs (Salmo salar)
4. Jungtiere
Entwicklungsdauer: 12-20 Jahre bis zur Geschlechtsreife
Ernährung: zunächst evtl. Detritus (abgestorbene organische Substanz) und Bakterien, danach aktive Filtrierer
Jahreszuwachs: durchschnittlich 1 - 1,5 mm /Jahr
Da der Zuwachs im Winter dunkler als im Sommer ist, bilden sich ähnlich wie bei den Laubbäumen Jahresringe, mit denen Altersbestimmungen möglich sind. Bei älteren Tieren sind die Wachstumsringe der ersten Jahre aufgrund von Erosion der Schale oft nicht mehr zu erkennen.
Lebensraum
Sommerkühle und sauerstoffreiche Fließgewässer, die kalk- und nährstoffarm sind
Die Flussperlmuschel ist ein guter Indikator für Fließgewässer mit hoher biologischer Güteklasse. Sie haben dabei besonders hohe Ansprüche an das Sohlsubstrat.
Gefährdung und Schutz
- intensive Land- und Forstwirtschaft in Gewässernähe
- Umwandlung von bachnahen Grünlandstandorten in Fichtenmonokulturen
- Bau von Talsperren, dadurch Verhinderung von genetischem Austausch zwischen Wirtsfischarten
- sämtliche Maßnahmen, die zum Eintrag von Trübstoffen in die Gewässer führen
Status: europaweit als so genannte FFH-Art geschützt (Anh. II), letztes Vorkommen in NRW
Durch die o. g. Maßnahmen kann es uns gelingen, der Flussperlmuschel ein langfristiges Überleben in NRW zu ermöglichen. Artenschutz beginnt bei uns vor der Haustüre, wir haben eine besondere Verantwortung, unsere heimische Tierwelt auch für unsre Nachkommen zu erhalten. Da die Projekte jedoch zeitlich befristet sind, werden dringend weitere Fördermittel benötigt.
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