Unsere kleinste heimische Schlangenart lebt als Meisterin der Tarnung im Geheimen mitten unter uns. Obwohl die Schlingnatter (Coronella austriaca) in Deutschland weit verbreitet ist, ist sie dennoch für die Meisten eine Unbekannte. Und sie ist eine stark gefährdete Art.
Die zur Gattung der Glattnattern gehörende Würgeschlange findet in Deutschland ihre Verbreitungsschwerpunkte in klimatisch begünstigten Mittelgebirgsregionen Südwest- und Süddeutschlands. In diesen Regionen besiedelt die Schlingnatter kleinräumig gegliederte, trocken-warme Habitate mit einer großen Strukturvielfalt: Ihre Lebensräume sind geprägt von abwechslungsreichen Strukturen auf kleiner Fläche. Zur Thermoregulation geeignete Möglichkeiten zur Besonnung bieten ihr Mikrohabitate wie offene, steinige Strukturen, trockenes Laub oder Rohböden. Außerdem stellen Flächen mit niedrigem Bewuchs in Form von Gebüsch oder lichten Waldrandgebieten Rückzugs- und Überwinterungsmöglichkeiten dar. So sind in unseren Breiten typische Lebensräume der Schlingnatter Moorrandbereiche, Trockenrasen und andere extensiv genutzte Kulturlandschaften, wie beispielsweise Streuobstwiesen.
Die schlanken Nattern werden bis zu 75 cm lang. An den Seiten ihres nur leicht vom Körper abgesetzten, eiförmigen Kopfes erstreckt sich eine charakteristische braune Schläfenbinde, welche sich als paariges oder versetztes Fleckenmuster bis zum Schwanzende fortsetzt. Ist die Schlange in Bewegung, kann es durch diese Zeichnung durch den Anschein eines Zickzackbandes zu Verwechslungen mit der giftigen Kreuzotter kommen. Eindeutiges Unterscheidungsmerkmal sind jedoch die im Gegensatz zur Kreuzotter runden Pupillen der Schlingnatter. Diese sind von einer gold-gelben Iris umgeben. Auf der braun-grauen Bauchseite erwachsener Tiere finden sich häufig dunkle Sprenkel. Wobei die Färbung hier zwischen der etwas rötlicheren Ausprägung bei den Männchen und der grauen der Weibchen variiert. Junge Nattern haben oftmals orange- bis kaminrote Bauchschilde. Die Schuppen der Schlingnatter haben eine glatte, ungekielte Ausprägung, welche ihr ihren zweiten Namen „Glattnatter“ einbrachte. Etwa mit dem 3. bis 4. Lebensjahr und einer Länge zwischen 40 bis 50 cm erreicht sie die Geschlechtsreife. Schlingnattern können ein Alter von 20 Jahren erreichen.
Die Tages- und Jahresaktivität der Schlingnatter ist reptilientypisch stark an die Klima- und Wetterbedingungen gebunden. Mitte bis Ende April, zu Beginn der Paarungszeit, verlässt sie ihr Winterquartier. Zu dieser Jahreszeit, sowie im Spätsommer und Herbst ist sie häufiger zu beobachten, da sie aufgrund der geringeren Außentemperaturen ein hohes Sonnenbedürfnis hat. Ihre Vorzugstemperatur für die aktive Nahrungssuche liegt bei 25- 30°C. So ist die Natter an warmen Sommertagen lediglich in den frühen Morgenstunden oder späteren Nachmittagsstunden in der Sonne anzutreffen und verlagert hier ihre aktivsten Phasen auf die Abend- oder gelegentlich sogar Nachtstunden. In Mitteleuropa nimmt die Schlingnatter gegen Ende Oktober eine Winterruhe von 4-5 Monaten Dauer ein.
Nach der Winterruhe beginnt für die geschlechtsreifen Tiere die wichtigste Jahreszeit. Schlingnatterweibchen sind in einem 2-jährigen Turnus paarungsbereit. Währen der Paarungszeit tragen die rivalisierenden Nattermännchen erbitterte Ringkämpfe aus, bei denen sie ihren Kontrahenten mit Bissen ernsthafte Verletzungen zufügen können. Hat sich ein Männchen durchsetzen können, umkriecht dieses das Weibchen bis beide Nattern auf gleicher Höhe nebeneinander liegen. Mit seinem Kopf auf dem Nacken des Weibchens liegend oder mit einem Biss in ihren Nacken hält das Männchen dieses während der zwischen 20 und 45 Minuten andauernden Kopulation fest. Schlingnattern sind ovovivipar: D.h., die Weibchen gebären Ende August bis Anfang September nach einer 4-5 monatigen Tragzeit durchschnittlich zwischen 6 und 8 vollständig entwickelte Jungtiere. Diese kommen mit einer Größe von etwa 15 cm und ca. 3 g auf die Welt. Sie haben sich im Muttertier eigenständig in ihrer Eihülle entwickelt. Bei der Geburt befreien sie sich aus der Eihülle und sind von diesem Zeitpunkt an selbstständig.
Die Schlingnatter ist eine typische Stöberjägerin. Mit ihrem Geruchssinn auf Beutesuche, bewegt sie sich langsam und aufmerksam züngelnd durchs Gelände. Durch das Züngeln, nimmt sie Geruchsmoleküle auf und streift diese am Jacobson’schen Organ an ihrem Gaumen ab. Dort findet dann die Geruchswahrnehmung und genaue –zuordnung statt. Hat sie einmal ein Beutetier gewittert, schnappt sie blitzschnell zu, beißt sich daran fest und beginnt es fest zu umschlingen. So wird die Beute erstickt und anschließend mit dem Kopf voran verschlungen. In ihr Beutespektrum fallen Echsen und Jungvögel, Echsen- als auch Vogeleier, verschiedene Schlangenarten sowie Kleinsäuger wie Wühl- oder Spitzmäuse. Ihren Flüssigkeitsbedarf deckt die Schlingnatter größtenteils an Tautropfen der Vegetation oder Pfützen und Wasserstellen.
Abgesehen von ihren hervorragenden Fähigkeiten als Jägerin braucht die Schlingnatter auch gute Abwehrmechanismen, denn sie findet in einer Reihe von Tieren natürliche Fressfeinde. Hierzu zählen einige marderartige Raubtiere wie Iltis und Hermelin, als auch Fuchs, Wildschwein und Igel. Auch Vögel fressen junge Nattern: Mäusebussard, Weißstorch, Uhu und Waldkauz sind an dieser Stelle nur einige Beispiele. Flucht ist ihre bevorzugte Schutzmaßnahme. Findet sich die Schlingnatter in einer ausweglosen Situation, rollt sie sich jedoch ein und richtet ihren Oberkörper zur Abwehr steil auf, um schneller zubeißen zu können. Zudem dient ihr ein unangenehm riechendes Sekret aus ihrer Analdrüse zur Abwehr.
Die Schlingnatter ist im FFH-Anhang IV als gefährdete Art aufgeführt. Anthropogene Beeinflussungen ihres Lebensraumes stellen Straßenbau und Gleisarbeiten sowie insbesondere die Nutzungsintensivierung der Kulturlandschaften und die Nutzungsaufgabe und anschließende Sukzession wertvoller Offenlebensräume dar. Außerdem wirkt sich eine zu große Entfernung von Grenzlinien wie Säume, Raine, Hecken und Mauern sehr negativ auf die Schlingnatterbestände aus. Aufgrund ihrer versteckten und heimlichen Lebensweise ist die Art oft nur schwer nachzuweisen. Insbesondere bei kleinen Populationen kann eine erfolglose Bestandserfassung im Vorfeld von Baumaßnahmen oftmals zum Verhängnis für die Art werden.
Die Biologische Station schützt diese Art indem sie seinen Lebensraum weitestgehend erhält und pflegt.
Steckbrief Schlingnatter
Systematik
Klasse: Reptilien
Ordnung: Schuppenkriechtiere
Unterordnung: Schlangen
Familie: Nattern
Gattung: Glattnattern
Art: Schlingnatter/Glattnatter
Gefährdungsstatus
Gefährdete Art nach FFH-Anhang IV
Verbreitung
Klimatisch begünstigte Mittelgebirgsregionen
Lebensraum
Trocken-warme, strukturreiche Biotope; z.B. Moorrandbereiche, Streuobstwiesen
Lebensweise
Winterruhe von Oktober/November bis März/April. Paarungszeit im Frühjahr
Vermehrung
Geschlechtsreife ab 3. Bis 4. Lebensjahr; Weibchen tragen in 2-jährigem Turnus; Austragung von Kämpfen rivalisierender Männchen; Tragzeit 4-5 Monate; Ovoviviparie (vollständig entwickelte Ei-Lebendgeburten); zwischen 6 bis 8 Jungtiere
Größe
Juvenile Tiere: Etwa 15 cm, 3g
Adulte Tiere: Etwa 75 cm, Lebensalter bis zu 20 Jahren
Nahrung
Echsen, Jungvögel, Eier, Schlangen, Kleinsäuger
Feinde
Marderartige, Füchse, Wildschweine, Igel, einige Vögel
Feindabwehr
Flucht, wehrhaftes Aufrichten, stinkendes Sekret