Fichtenforst im Wüstebachtal 2012. Die bestehenden Lichtverhältnisse erschweren die Entwicklung der heimischen Tier- und Pflanzenwelt.
Fichtenforst mit naturnaher Bachstruktur: Die sich im Wasser entwickelten Insekten haben nach Verlassen des Baches Schwierigkeiten sich in diesem Lebensraum auszubreiten.
Perlenbachtal: 2 Jahre nach Entfichtung kommen erste Laubbäume auf. Ziel ist die Entwicklung eines Auwaldes.
Der Perlenbach mit naturnahem Auwald
Bäume fällen für den Naturschutz?!
Entfichtung, Renaturierung, Waldumbau
Warum und Was ist das?
Hintergrund
Wo gehobelt wird, fallen auch Späne. So ist es auch im Naturschutz: Da werden Fichten und andere “nicht heimische“ Gehölze entfernt um Lebensraum für heimische Pflanzen zu schaffen, die ohne diese Maßnahmen aus unserer Landschaft verschwinden würden. Diese Pflanzen ernähren wiederum viele heimische Tiere, die – ohne diese Maßnahmen – ebenfalls bedroht wären oder vielleicht schon sind. Die Entnahme der Bäume ist somit ein erster Schritt zum Erhalt der natürlichen Artenzusammensetzung und -vielfalt. Die frisch entfichteten Flächen machen auf viele Spaziergänger und Naturfreunde einen verschreckenden Eindruck. Auch die Maßnahmen selbst sind nichts für schwache Nerven: gerade dann, wenn sich eine moderne tonnenschwere Erntemaschine durch den Wald arbeitet.
Deswegen möchten wir an dieser Stelle erläutern, warum wir im Naturschutz nicht heimische Bäume fällen.
Warum?
Die Biologische Station betreut viele unterschiedliche Schutzgebiete und Landschaften unserer Region: In der wald- und fichtenreichen Eifel sind dies insbesondere die Bachtäler mit den angrenzenden Wäldern, die Heiden und Moore sowie die artenreichen Wiesen und Weiden. Die meisten dieser Gebiete sind europäisch geschützte NATURA2000-Gebiete, in denen einzigartige Lebensräume sowie Tier- und Pflanzenarten vorkommen. Auf vielen dieser Flächen waren und sind aber auch Fichtenforste anzutreffen, da sie in die ursprünglichen Lebensräume hineingepflanzt wurden.
Die Fichte - der Preußenbaum - steht für eine planmäßige, aber naturferne Waldbewirtschaftung, die aus kommerziellen Gründen seit dem 19. Jahrhundert angepflanzt wurde. Der „Brotbaum der Forstwirtschaft“ ist anspruchslos, pflegeleicht und wächst schnell. Aus diesen Gründen wurde er in der Eifel vielerorts angepflanzt. Der Lebensraum vieler heimischer Pflanzen und Tiere wurde so nach
und nach verkleinert und ist teilweise bereits verschwunden.
Europäische und nationale Gesetze sehen vor, dass der Lebensraum heimischer Tiere und Pflanzen zu erhalten und zu verbessern ist: Der Erhalt der Natur ist ein gesellschaftliches Anliegen.
Dazu müssen z.B. kleine Restlebensräume wieder vergrößert und mit anderen Flächen und Gebieten vernetzt werden.
Die Biologische Station erarbeitet daher langfristige Pflege- und Entwicklungspläne und setzt viele Maßnahmen in eigener Regie um. Europäische und nationale Fördergelder ermöglichen dies.
Wo?
Beispiel Bach:
An einem naturnahen Eifelbach blüht es im Frühjahr kunterbunt: Narzissen, Buschwindröschen, Scharbockskraut, Seidelbast und Sumpfdotter- blume erfreuen nicht nur das Auge des Wanderers. Der Tisch ist hier reich gedeckt für unzählige Insekten. Diese sind wiederum Nahrungsquelle vieler Vogelarten usw. Ein in der Aue angelegter Fichtenforst beschattet den Bach ganzjährig, sodass der Temperaturhaushalt des Gewässers verändert wird. Die schwer abbaubaren Fichtennadeln sind für heimische Bachorganismen keine Nahrungsgrundlage. Viele Arten können hier nicht mehr leben.
Vor diesem Hintergrund hat man bereits in den 1980er Jahren damit begonnen, im Naturschutzgebiet Perlenbach- und Fuhrtsbachtal bei Monschau Fichten in der Talaue zu fällen. Einerseits sollten so heimische Auwälder, andererseits artenreiche Talwiesen gefördert werden. Das Ergebnis ist unübersehbar positiv für Naturfreunde, Wanderer, Pflanzen und Tiere: Erle, Birke, Weide, Narzisse, Bärwurz, Arnika, Feuerfalter, Prachtlibelle, Wasseramsel, Gebirgstelze, … -die Liste der Arten, die von der Naturschutzmaßnahme „Fichten fällen“ profitiert, lässt sich nahezu beliebig lang erweitern. Darunter befinden sich viele Arten, die man in NRW, auch dank des Naturschutzes, nur noch in der Eifel antrifft.
Beispiel Moor: Das Hohe Venn mit seinen Mooren und Heiden ist eine einzigartige Landschaft in Mitteleuropa. Die weite, offene, sumpfige Landschaft war Jahrhunderte lang für den Menschen nicht besiedelbar und kaum von Nutzen. Wie vielerorts in der Eifel wurde auch hier mit der preußischen Forstwirtschaft die Fichte ab Mitte des 19. Jahrhunderts großflächig angepflanzt um den steigenden Holzbedarf zu decken. Diese Entwicklung wurde durch großflächige Entwässerungsmaßnahmen mit Hilfe hunderter Gräben ermöglicht. Ein einzigartiger Lebensraum für seltene Pflanzen und Tiere drohte vollständig zu verschwinden.
Im Mützenicher Venn wurden in den 1990 Jahren erste Gräben verschlossen und kleinflächig Fichten entfernt. Die wertvollsten Moorflächen in sogenannten Palsen, konnten sich regenerieren. Für den gesamten Lebensraum, aber auch für das Überleben vieler Pflanzen- und Tierarten ist eine großflächige Renaturierung essentiell. So wurden im Rahmen des europäisch geförderten Interreg-Projekts „Heiden, Moore, Wiesen – ein deutsch-belgisches Biotopnetzwerk“ von 2004 bis 2006 die Fichten entnommen und sämtliche Gräben verschlossen. Seltene Tierarten, wie Hochmoor-perlmutterfalter, Schwarzkehlchen und Speerazurjungfer haben sich angesiedelt und sind nachhaltig geschützt.
Wie?
Methoden:
Bei einer Fülle von Entfichtungen hat die Biologische Station im Laufe der letzten Jahre viel Erfahrung auf diesem Gebiet sammeln können.
Wie die Renaturierung nun genau vor sich geht, liegt vorrangig am Standort und dem Schutzgut. Aber auch an dem zur Verfügung stehenden Budget und dem vorgegebenen Zeitrahmen. Ziel ist es, in Anbetracht aller Aspekte, die schonendste Methode anzuwenden und eine intakte Bodenstruktur zu erhalten.
- Das Fällen von Hand ist die klassische Art der Baumfällung, aber auch eine der gefährlichsten Arbeiten im Wald. Die motormanuell gefällten Bäume müssen anschließend als ganzer Baum oder „aufgearbeitet“ aus der Fläche entfernt werden. Der Einsatz von Rückepferden bietet sich hier für kleine Flächen und leichte Bäume an, da die Zugkraft der Tiere beschränkt ist.
- Auf großen, trockenen Flächen kann der Einsatz von Holzerntemaschinen (Harvester) sinnvoll sein. Das Vorgehen ist wie folgt: Alle 40 Meter wird eine zwei Meter breite Gasse gebildet. Von dieser „Rückegasse“ aus wird mit dem Harvester ein Baum nach dem anderen gefällt und entastet. Der Fahrweg des Harvesters wird mit frischem Astmaterial als Reisigmatte gepolstert. So verringert sich der Bodendruck der Maschine wesentlich. Sind die Fällarbeiten beendet, wird der Weg über die Reisigmatte genutzt, um Baumabschnitte und Astmaterial von den Flächen zum Weg zu transportieren. Diese Maßnahme wird bodenschonend, im Idealfall im Winter bei gefrorenem oder im Sommer bei trockenem Boden, umgesetzt.
- Oftmals wird eine Kombination von Hand und Maschinenarbeit eingesetzt. Hierbei werden auf nassen Standorten die Bäume per Hand den "Erntemaschinen zu gefällt“. Diese stehen am Rand, auf den trockeneren Standorten und ziehen die Bäume im Ganzen heraus, arbeiten sie auf und bringen sie zu den Holzabfuhrwegen.
- Auf druckempfindlichen, nassen oder verdichtungsgefährdeten Böden bietet sich der Einsatz des Seilkrans an. Die Bäume werden mit der Motorsäge gefällt und dann über ein installiertes Seilzugsystem wie an einer Seilbahn aus der Fläche gezogen. Diese aufwändige Methode ist finanziell und logistisch nur unter bestimmten Rahmenbedingungen möglich. Einzelbäume können auch schon mal einfacher über eine Motorwinde angeliefert werden.
Nacharbeiten:
- Soll auf dieser Fläche eine Wiese entstehen, werden nach den Fällarbeiten noch die Wurzeln (Baumstubben) entfernt. Hierzu kommt die sogenannte „Stubbenfräse“ zum Einsatz. Durch die Übertragung von Mulchsaatgut von benachbarten Flächen kann die Wiederbegrünung in eine artenreiche Wiese beschleunigt werden.
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Soll die Natur sich selbst überlassen werden, braucht man nur abwarten. Eventuell müssen in den Folgejahren noch vorhandene oder wieder aufkommende Jungfichten entfernt werden. In Ausnahmefällen kann auch eine „Initialpflanzung“ (heimische Pflanzen werden bewusst eingesetzt) vorgenommen werden, um wie bei der Wiese den Prozess der Wiederbewaldung zu beschleunigen.
Wozu?
Das Ergebnis:
Schon im ersten Frühjahr nach der Entfichtung kann man viele Kräuter sowie junge Laubbäume und Büsche wachsen sehen, die Fläche wird wieder„grün“. Die Zahl zu beobachtender Tier- und Pflanzenarten steigt. Auch im Boden herrscht wieder eine rege Aktivität: Er wird humusreicher und kann Nährstoffe und Wasser besser speichern.
Nach zwei bis drei Jahren sieht man von der ehemaligen Baustelle fast nichts mehr. Die Flächen nähern sich einem „naturnahen Zustand“ und die für uns alle so wertvolle Artenvielfalt kann so ein Stück weit erhalten bleiben.